Marken unter Druck
Marken stehen heute unter einem paradoxen Druck: Sie sollen klar unterscheidbar sein – und zugleich möglichst vielen gefallen.
Zwischen Purpose-Kommunikation, Nachhaltigkeitsversprechen und Social-Media-Trends verschwimmen Markenbilder zunehmend. Viele Unternehmen klingen gleich, wirken austauschbar, verlieren ihre emotionale Schärfe.
Früher reichte es, „Markenbekanntheit“ zu schaffen. Heute geht es um Markenbedeutung – um das, was Menschen mit einer Marke verbinden und fühlen. Und genau hier geraten klassische Positionierungsmodelle an ihre Grenzen.
Denn Menschen reagieren nicht auf Marken, weil sie logisch überzeugt sind, sondern weil sie sich motivisch verstanden fühlen.
Markenführung im 21. Jahrhundert braucht daher weniger Slogans und mehr Psychologie. Der Circle of Motivation® liefert dafür ein systematisches Instrument.
Warum viele Positionierungen austauschbar sind
Schaut man sich aktuelle Markenleitbilder an, liest man häufig dieselben Begriffe: innovativ, nachhaltig, verantwortungsvoll, offen, zukunftsorientiert.
Das Problem: Diese Wörter sagen nichts über das Warum einer Marke – über ihre motivische DNA.
Wenn alle Marken dieselben Werte beanspruchen, bleibt nur das Stilistische als Differenzierung: Farbe, Typografie, Claim. Doch Stil ohne Sinn schafft keine Bindung.
Typische Ursachen für diese Austauschbarkeit sind:
- Abstrakte Wertebegriffe ohne emotionale Verankerung.
- Positionierungen aus der Innenperspektive, nicht aus Kundensicht.
- Fokus auf Rationalität, statt auf Resonanz.
Marken verlieren Profil, weil sie versuchen, alles für alle zu sein.
Doch Markenführung wird erst dann kraftvoll, wenn sie den inneren Beweggrund ihrer Zielgruppen versteht – die Handlungsmotivation, die Bindung erzeugt.
Motivation als Differenzierungsmerkmal
Motivation geht tiefer als Werte oder Nutzenversprechen.
Sie erklärt, warum Menschen eine Marke wählen, wie sie sich mit ihr identifizieren und was sie emotional von ihr erwarten.
Marken, die motivorientiert geführt werden, sind nicht nur funktional relevant, sondern psychologisch anschlussfähig. Sie schaffen Resonanz, weil sie denselben Motivraum besetzen, in dem sich ihre Zielgruppen bewegen.
Beispiel:
- Eine Marke, die Zweckrationalität (Z) verkörpert, steht für Effizienz, Leistung, Fortschritt.
- Eine Wertrationale (W) Marke verkörpert Haltung, Sinn und Verantwortung.
- Eine Affektuelle (A) Marke steht für Energie, Emotion und Erlebnis.
- Eine Traditionale (T) Marke vermittelt Vertrauen, Sicherheit und Zugehörigkeit.
Diese vier Motivkerne bilden das Grundraster für jede Positionierung.
Die Frage lautet also nicht: Welche Werte haben wir?, sondern:
Welche Motivation treibt unsere Marke – und welche unserer Kund:innen?
Wenn Marke und Zielgruppe denselben Motivraum teilen, entsteht Authentizität, Vertrauen und Loyalität.
Vier Markenkerne – vier Motivlagen
Z-Marken: Effizienz & Erfolg
Leitmotiv: Fortschritt, Leistung, Perfektion.
Tonality: präzise, klar, rational.
Markenversprechen: „Wir machen dich besser, schneller, erfolgreicher.“
Beispiele: Technologie, B2B, Finanz- und Ingenieurwesen.
👉 Z-Marken sprechen Menschen an, die Kontrolle und Resultate suchen.
W-Marken: Sinn & Verantwortung
Leitmotiv: Haltung, Ethik, Kohärenz.
Tonality: ruhig, integer, glaubwürdig.
Markenversprechen: „Wir übernehmen Verantwortung – für heute und morgen.“
Beispiele: NGOs, nachhaltige Konsumgüter, Bildung, Healthcare.
👉 W-Marken gewinnen Vertrauen durch Konsistenz zwischen Wort und Tat.
A-Marken: Emotion & Erlebnis
Leitmotiv: Ausdruck, Kreativität, Begeisterung.
Tonality: lebendig, impulsiv, bildstark.
Markenversprechen: „Erlebe etwas Neues – spür die Energie.“
Beispiele: Lifestyle, Kultur, Sport, Unterhaltung.
👉 A-Marken schaffen Bindung über Erlebnis und Ausdruck.
T-Marken: Vertrauen & Beständigkeit
Leitmotiv: Stabilität, Gemeinschaft, Herkunft.
Tonality: warm, verlässlich, bodenständig.
Markenversprechen: „Auf uns kannst du zählen – seit jeher.“
Beispiele: Familienunternehmen, Traditionsmarken, Regionalmarken.
👉 T-Marken gewinnen durch Nähe und Beständigkeit.
Viele starke Marken kombinieren zwei Motivräume – etwa Z/W (leistungsorientiert, aber wertebasiert) oder A/T (emotional, aber verbindlich).
Diese Mischformen schaffen differenzierte Profile, die trotzdem konsistent bleiben.
Brand Voice, Look & Feel motivgerecht entwickeln
Ein Markenleitbild wirkt erst, wenn es erlebbar wird – in Sprache, Gestaltung, Kommunikation und Verhalten.
a) Brand Voice
- Z: präzise, datenbasiert, aktiv. → „Wir optimieren. Wir liefern. Wir verbessern.“
- W: reflektiert, wertorientiert, ruhig. → „Wir handeln aus Verantwortung.“
- A: emotional, dynamisch, begeisternd. → „Mach’s spürbar. Mach’s echt.“
- T: bodenständig, menschlich, verbindlich. → „Wir bleiben an deiner Seite.“
b) Look & Feel
- Z: klare Linien, kühle Farben, geometrische Formen.
- W: natürliche Texturen, ruhige Farbflächen, Balance.
- A: kräftige Farben, Bewegung, Kontrast.
- T: warme Töne, organische Formen, vertraute Bildsprache.
c) Touchpoints
- Z: Corporate Website, Whitepaper, Performance-Kampagnen.
- W: CSR-Berichte, Storytelling, Thought Leadership.
- A: Social Media, Events, Kampagnen mit hoher Emotionalität.
- T: Kundenmagazine, lokale Medien, persönliche Begegnungen.
Wenn alle Elemente – Ton, Bild, Form, Medium – derselben motivischen Logik folgen, entsteht Markenkohärenz. Und Kohärenz ist die stärkste Währung moderner Markenführung.
Case-Ansätze: Marken nach Motivationstypen
Case 1: Z-Marke – Effizienz als Identität
Ein Softwareanbieter positionierte sich neu. Statt über Features zu sprechen, wurde das Motiv „Kontrolle und Präzision“ ins Zentrum gestellt.
Der neue Claim: „Komplexität beherrschbar machen.“
Kommunikation, Design und Vertrieb folgten dieser Logik – mit Erfolg: höhere Lead-Qualität, stärkere Wiedererkennung, klareres Markenprofil.
Case 2: W-Marke – Haltung als Kapital
Ein Finanzdienstleister wollte sich vom Image reiner Rendite-Logik lösen.
Über die SEGMNZ-Analyse wurde ein wertrationaler Kern sichtbar: Vertrauen durch Transparenz.
Die Marke repositionierte sich mit Fokus auf verantwortungsvolles Investieren – Kommunikation, Produktportfolios und Reporting wurden ethisch neu ausgerichtet. Ergebnis: deutlich höhere Markenloyalität.
Case 3: A-Marke – Emotion als Differenzierung
Ein Kulturanbieter wollte jüngere Zielgruppen gewinnen.
Die Analyse zeigte eine stark affektuelle Resonanz: Menschen suchten Erlebnis, nicht Belehrung.
Die Marke wurde expressiver – Videos, Farben, Sprache.
Das führte zu mehr Sichtbarkeit, höherer Beteiligung und emotionaler Bindung.
Case 4: T-Marke – Vertrauen als Wert
Ein Familienunternehmen im Handwerk stand vor der Nachfolge.
Statt auf Modernisierung um jeden Preis zu setzen, blieb der kommunikative Kern beim Motiv Beständigkeit.
Botschaft: „Tradition heißt, das Gute zu bewahren.“
Ergebnis: Stabile Kundenbasis, authentische Modernisierung – ohne Bruch mit Herkunft und Kultur.
Diese Beispiele zeigen: Motivation ist kein weiches Thema.
Sie ist das strategische Bindeglied zwischen Markenidentität, Kommunikation und Verhalten.
Das heißt: Marke wird erlebbar, wenn sie motivisch andockt
Markenführung steht heute vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss differenzieren und zugleich Bedeutung stiften.
Beides gelingt nur, wenn Marken verstehen, was Menschen innerlich bewegt.
Der Circle of Motivation® macht diese Beweggründe sichtbar – bei Kund:innen, Mitarbeitenden und der Marke selbst.
So wird Markenpositionierung kein kreatives Bauchgefühl, sondern ein systematischer Prozess psychologischer Resonanz.
Marke entsteht, wenn Motivation und Kommunikation dieselbe Sprache sprechen.
Wer Marken so denkt, gewinnt Klarheit, Tiefe und Relevanz – und hebt sich ab in einer Welt, in der fast alle dasselbe sagen.

