Die Gefahr von Stereotypen
„Unsere Zielgruppe? Junge urbane Berufstätige zwischen 25 und 35, digital affin und markenbewusst.“
So oder ähnlich beginnen viele Marketingkonzepte – und klingen dabei erstaunlich austauschbar. Hinter solchen Beschreibungen steckt meist ein gut gemeinter Versuch, Märkte greifbar zu machen. Doch tatsächlich produzieren sie häufig das Gegenteil: Vereinfachung, Stereotype und eine Scheinsicherheit, die nichts über die wahren Beweggründe der Menschen verrät.
Denn Menschen handeln nicht, weil sie „zwischen 25 und 35“ sind, sondern weil sie etwas antreibt – ein Bedürfnis, ein Ziel, ein Gefühl. Diese Handlungsmotivation ist der eigentliche Schlüssel zu relevanter Kommunikation und strategischer Zielgruppenarbeit.
Das SEGMNZ-Modell setzt genau hier an. Es ersetzt oberflächliche Zielgruppenklischees durch tiefenpsychologisch fundierte Motivationsprofile, die aufzeigen, warum Menschen handeln – und nicht nur, wer sie sind.
Grenzen klassischer Zielgruppenmodelle
Klassische Segmentierungen teilen Märkte nach beobachtbaren Merkmalen:
- Demografisch: Alter, Geschlecht, Einkommen, Bildung.
- Geografisch: Wohnort, Region, Urbanität.
- Sozialpsychologisch: Lifestyle, Werte, Milieus.
Das ist hilfreich, aber begrenzt. Denn die zugrundeliegende Annahme lautet: Wer ähnliche Merkmale hat, handelt ähnlich. In der Realität stimmt das immer seltener.
Ein Beispiel: Zwei Menschen sind 32 Jahre alt, leben in Berlin, verdienen ähnlich viel, haben ein Smartphone und streamen Serien. Doch während die eine Person bewusst, planvoll und zukunftsorientiert agiert, entscheidet die andere spontan, emotional und nach Lustprinzip. Beide gehören in kein wirkliches Segment – zumindest nicht in eines, das Verhalten erklären oder vorhersagen könnte.
Das eigentliche Problem:
Klassische Zielgruppenmodelle erklären was Menschen tun, aber nicht warum. Sie liefern Kategorien, aber keine Motivlagen. Dadurch entstehen Strategien, die zwar sauber definiert, aber inhaltlich leer bleiben.
Kurz gesagt:
Demografie beschreibt Unterschiede – Motivation erklärt Entscheidungen.
Was bedeutet motivationsbasierte Segmentierung?
Motivationsbasierte Segmentierung dreht den Blick um. Statt von außen auf Gruppenmerkmale zu schauen, richtet sie den Fokus auf die inneren Antriebskräfte.
Die Leitfrage lautet:
Welche grundlegenden Motive bestimmen das Handeln der Menschen, mit denen wir in Beziehung stehen?
Diese Perspektive ist dynamischer und psychologisch fundierter. Sie erkennt, dass Motivation:
- kontextabhängig ist (jemand kann privat anders motiviert handeln als beruflich),
- situativ schwankt (Motivlagen verändern sich über Zeit und Umstände),
- universell bleibt (alle Menschen bewegen sich innerhalb ähnlicher Motivräume).
Das SEGMNZ-Modell übersetzt diese Einsichten in ein praxistaugliches System:
den Circle of Motivation®, ein kreisförmiges Modell aus vier Grundtypen und acht Zwischentypen.
Die vier SEGMNZ-Haupttypen im Überblick
Jeder Mensch bewegt sich innerhalb eines Spannungsfeldes aus Rationalität und Emotionalität, aus Prinzipien und Impulsen. Der Circle of Motivation® fasst diese Spannungen in vier Haupttypen:
Typ Z – der Zweckrationale
Handelt zielorientiert, effizient und planvoll. Erfolg, Struktur und Kontrolle sind zentrale Werte.
Typisch in Strategie, Management, Technik.
👉 Leitmotiv: „Was bringt mich am effektivsten ans Ziel?“
Typ W – der Wertrationale
Orientiert sich an Überzeugungen, Normen und Prinzipien. Integrität und Sinnhaftigkeit stehen über kurzfristigem Erfolg.
Typisch in NGOs, Bildung, nachhaltigen Unternehmen.
👉 Leitmotiv: „Was ist richtig?“
Typ A – der Affektuelle
Handelt spontan, expressiv und emotional. Kreativität, Erlebnis und Begeisterung treiben ihn an.
Typisch in Kunst, Medien, Lifestyle.
👉 Leitmotiv: „Was inspiriert mich?“
Typ T – der Traditionale
Handelt gewohnheitsbasiert, gemeinschaftlich und sicherheitsorientiert. Stabilität und Zugehörigkeit geben Halt.
Typisch in Familienunternehmen, Vereinen, lokalen Strukturen.
👉 Leitmotiv: „Was bewährt sich?“
Zwischen diesen Polen entstehen acht Zwischentypen (z. B. Z/W, A/T, W/T), die Mischformen darstellen und Übergänge zwischen den Motivlagen sichtbar machen.
Das Entscheidende:
SEGMNZ versteht Motivation nicht als Etikett, sondern als Beziehungsdynamik – Menschen wechseln situativ zwischen Typen, aber ihr Handlungskern bleibt erkennbar.
Personas neu gedacht – mit Motivation als Kern
In vielen Marketingabteilungen sind Personas ein zentrales Werkzeug. Doch häufig bleiben sie Karikaturen: „Lisa, 28, liebt Yoga und vegane Bowls“. Das klingt sympathisch, bringt strategisch aber wenig.
Motivbasierte Personas funktionieren anders.
Sie basieren nicht auf Lifestyle-Klischees, sondern auf psychologisch fundierten Motivprofilen.
Beispiel:
Eine persona vom Typ W/T (wertrational-traditional) denkt und handelt aus einer Haltung der Verantwortung. Sie legt Wert auf Verlässlichkeit, Bindung und moralische Kohärenz. Ihre Kommunikation erwartet Glaubwürdigkeit und soziale Resonanz.
Eine persona vom Typ A/Z (affektuell-zweckrational) hingegen sucht Energie, Ausdruck und schnelle Ergebnisse. Sie ist impulsiv, aber zielorientiert – sie möchte gestalten, nicht verwalten.
Wenn Unternehmen so denken, entstehen Strategien, die deutlich präziser sind:
- Content-Marketing spricht Emotionen oder Werte an, statt oberflächliche Trends.
- Produktentwicklung richtet sich nach Motivbedürfnissen statt nach Zielgruppen-Alter.
- Führung und HR verstehen intrinsische Antriebe, statt nur extrinsische Belohnungen zu setzen.
Das verändert die Art, wie Marken sprechen – und vor allem, wie sie verstanden werden.
Praxis: Wie Unternehmen davon profitieren
a) Kommunikation mit Resonanz
Motivbasierte Ansprache bedeutet, Menschen in ihrem inneren Bezugsrahmen abzuholen.
Ein wertrationaler Typ reagiert auf ethische Konsistenz und Haltung.
Ein affektueller Typ braucht emotionale Energie, Bilder, Begeisterung.
Ein zweckrationaler Typ erwartet Belege, Logik und Nutzen.
Wer diese Differenzierung versteht, gestaltet Kommunikation, die nicht nur wahrgenommen, sondern gefühlt wird.
b) Produktentwicklung
Ein Automobilhersteller, der Zielgruppen bisher nach Einkommen und Alter sortierte, entdeckte durch Motivanalysen neue Potenziale:
- Typ Z wollte Technologie und Effizienz.
- Typ W suchte Nachhaltigkeit und Sinn.
- Typ A wollte Erlebnis und Emotion.
- Typ T wollte Verlässlichkeit und Tradition.
Das Ergebnis waren Produktlinien, die sich nicht kannibalisierten, sondern ergänzten.
c) Employer Branding
Auch intern verändert sich die Perspektive. Wenn Motivation verstanden wird, können Unternehmen Führung, Kultur und Benefits gezielt gestalten.
Beispiel: Ein wertrationales Team reagiert positiv auf Transparenz und Sinnvermittlung, während affektuelle Mitarbeitende kreative Freiräume brauchen.
d) Strategische Planung
Motivationsprofile helfen, Märkte nicht nur retrospektiv zu beschreiben, sondern vorausschauend zu verstehen.
Wenn ein Markt zunehmend von affektuellen Impulsen geprägt ist (z. B. Social Media, Erlebnisökonomie), dann muss Strategie Resonanzräume öffnen – nicht nur Argumente liefern.
Ergebnis: Tiefer segmentieren – präziser kommunizieren
Klassische Zielgruppenmodelle stoßen an Grenzen, weil sie die Komplexität menschlichen Handelns auf einfache Merkmale reduzieren. SEGMNZ geht tiefer: Es segmentiert nach Motivation statt nach Merkmalen – und liefert damit ein präziseres, flexibleres und realistischeres Bild von Menschen.
Unternehmen, die diesen Ansatz nutzen, gewinnen nicht nur an analytischer Tiefe, sondern auch an Nähe. Sie verstehen, was Menschen bewegt – und sprechen in einer Sprache, die Resonanz erzeugt.
Die Zukunft der Zielgruppenanalyse ist motivbasiert.
Wer sie versteht, kommuniziert nicht nur mit Zielgruppen, sondern mit Menschen.

